Der Kim...

Ganz zu Beginn des Gespräches erklärt Kim Andersson, dass er nur ungern im Mittelpunkt steht und eigentlich nicht der Typ ist, der gerne erzählt. Aber diese Beschreibung zerstört er schneller wieder, als ein Handball aus seiner Hand ins Tornetz rauschen kann.

In den zwei Stunden, in denen der schwedische Nationalmannschaftskapitän SvD Gesellschaft leistet, drei Tage vor dem wichtigen EM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien, erzählt und scherzt er gelöst und viel.
Wir reden über alles, angefangen beim rosafarbenen Muskeltape von David Beckham (Kim hat blaues auf seinen Schultern) bis hin zu seinem ehemaligen Jugendtrainer von Malmö FF, der ihn letztens fragte, ob er nicht noch einmal bei ihm vorspielen wolle. (Aber Kim musste ablehnen, weil er sich nur auf den Profihandball und die EM-Qualifikation konzentrieren soll)

Aber es wurde natürlich auch ernst, zum Beispiel als wir darüber diskutierten, dass Schweden bei dieser EM wieder den Anschluss zur Weltspitze finden könnte, nach nunmehr drei Jahren ohne Teilnahme an einem großen Turnier.

Und als er davon berichtet, dass er in seiner Jugend ein ganzes halbes Jahr lang nicht laufen konnte.
„Es war zu beginn der weiterführenden Schule. Ich bekam eine komische Krankheit, von der ich bis heute nicht weiß, was es war und warum ich sie bekam. Auf einmal konnte ich nicht mehr laufen. Mein Körper reagierte einfach nicht, er war ganz schlapp. Ich versuchte immer aus der Küche in mein Zimmer zu kommen, das waren nicht mehr als fünf Meter, aber es ging nicht.“
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Ereignis aus der Zeit während eines Turniers.
„Ich konnte nicht mitspielen, aber ich wollte unbedingt dabei sein. Der Trainer ließ mich sogar aus Mitleid einen Siebenmeter werfen. Ich hatte überall Schützer, damit der Körper länger warm blieb und ich mich nicht neu aufwärmen musste. Aber ich verwarf. Ich glaube, der Spieler, der eigentlich hätte werfen sollen, war ganz schön sauer, er hätte garantiert getroffen.“

Eines Tages wurde es plötzlich besser und langsam, aber sicher erholte sich sein Körper. Heute hat er keine Probleme mehr.

Kim Andersson wurde ein viel gepriesener Spieler mit großem Potenzial. Er war sehr groß, Linkshänder und hatte ein gutes Spielverständnis, aber nicht bevor er als 16-jähriger von Kävlinge zu Ystads IF wechselte. Dort erst begann seine Entwicklung so richtig.

„Wir sind wirklich an ihm verzweifelt bei einem der Trainingslager und haben mit dem Gedanken gespielt, ihn das nächste Mal nicht mit zu nehmen. Er hatte immer seine Sonnenbrille auf, kaute Kaugummi und hatte überhaupt eine sehr merkwürdige Auffassung von Training und Leistungssport.“, berichtet Hammarbys ehemaliger Trainer Magnus Grahn, der zusammen mit Per Johansson für Kims Altersklasse verantwortlich war.

„Wir haben mit ihm über dieses Einstellungsproblem gesprochen und unmittelbar danach ging er nach Ystad. Und nur ein Jahr später war er komplett verändert. Er war umgänglich, gehorsam, ein Mannschaftsspieler. Aber wenn man mir damals gesagt hätte, dass Kim Kapitän der Nationalmannschaft werden würde, hätte ich den Nationaltrainer für verrückt erklärt.

Nein, verrückt ist Ingemar Linnéll bestimmt nicht. Als Stefan Lövgren aus der Nationalmannschaft zurück trat, um noch länger in Kiel spielen zu können, entschied sich der Nationaltrainer dafür, die Kapitänsbinde an den 24-jährigen Linkshänder weiter zu reichen. Denn Kim Andersson hatte sich inerhalb von zehn Jahren zu einem der weltbesten Handballspieler gemausert und zudem noch echte Führungsqualitäten entwickelt, von denen in jungen Jahren noch nichts zu erahnen war.

„Ich habe jetzt mehr Verantwortung als vorher, trotzdem haben alle in der Mannschaft gleich viel zu sagen. Aber jetzt darf ich die Schiedsrichter anmeckern.Das ist toll!“


Er zeigt keine Spur Arroganz und macht ohne mit der Wimper zu zucken mit, als Fotografin Caroline ihn das vierte Mal an eine andere Stelle setzt, um Fotos zu schießen.
Erst als wir zusammenpacken, erzählt Kim, dass er eigentlich einen Teil des freien Nachmittags hatte nutzen wollen, um nach einer schönen „Sommarställe“ zu suchen, aber das könne er ja auch an einem anderen Tag noch machen.
Denn nun ist es schon Zeit für die zweite Trainingseinheit heute.

Die Nationalmannschaft hat sich schon Dienstag in Karlskrona getroffen und zwei Testspiele gegen Dänemark absolviert, ein Sieg und eine Niederlage. Aber die zwei wichtigsten Spiele stehen den Schweden noch bevor.
Heute kommt Rumänien zu Besuch und das Rückspiel findet am nächsten Wochenende statt.

Zu gewinnen gibt es einen Startplatz für die EM in Norwegen im nächsten Jahr und damit sogar noch die Chance, sch für Olympia in Peking zu qualifizieren.

Schweden, das die Handballwelt in den 90er Jahren unter dem damaligen Nationaltrainer Bengt Johansson, dominierte, hat seit der WM 2005 in Tunesien kein großes Turnier mehr gespielt.
Die große Mannschaft, die 1992, 1996 und 2000 olympisches Silber holte, war noch nicht einmal für die Spiele in Athen qualifiziert. Die EM 2002, bei der man zu Hause Gold gewann, war Schwedens letzter großer Erfolg.

„Irgendwie geht es bergab, seitdem ich dabei bin“, stellt Kim Andersson fest und lächelt.
Als 20-jähriger wurde er als letzter Mann in „Bengans“ Truppe für die WM 2003 in Portugal nominiert. Er war zum zuschauen und lernen dabei, sollte aber auch ein kleines Bisschen spielen.

Er spielte sogar in seinem Hotelzimmer, sogar mit einem Idol.
„Ich bin ja Playstation-Spiel-Freak und hatte meine Playstation mit nach Portugal genommen. Wenn mir und Magnus Wislander langweilig war, saßen wir also vor dem Fernseher und spielten Fußball mit der Playstation. Ich hatte die A-Nationalmannschaft bisher ja nur im Fernsehen bewundert und auf einmal hockte ich da und spielte Playstation mit „Slangen“ Das war schön heftig!“

Kim Andersson ging von Ystad nach Sävehof, als er das Handballgymnasium abgeschlossen hatte.
In den vier erfolgreichen Jahren in Partille, in denen die Mannschaft zweimal schwedischer Meister wurde und sich auch in der Championsleague gut schlug, entwickelte er sich zu einem der besten Spieler der schwedischen Liga.
Schon nach drei Spielzeiten in Sävehof hatte er ein Angebot von dem Weltverein Kiel, entschied sich jedoch dafür, noch ein weiteres Jahr in Schweden zu bleiben, um dann richtig gut vorbereitet zu sein, wenn er ins Ausland ging.

„Es war ein Schock, aber ein positiver. Ich dachte, die Art von Geschlossenheit innerhalb einer Mannschaft, wie wir sie in Sävehof hatten, und die familiäre Atmosphäre wie im schwedischen Handball, könnte es in einer Mannschaft wie Kiel nicht geben. Ich dachte, dass es sehr streng zugehen und die Spieler alle ihr eigenes Ding machen würden, aber es war eine genauso tolle Stimmung da, wie in Sävehof. Ich glaube, das ist es, dem wir alles, was wir geschafft haben, verdanken.

Kim und Kiel haben eine anstrengende Saison hinter sich. Sie gewannen Meisterschaft, Champions League und den DHB Pokal in einer Saison.
Jetzt fehlt also nur noch ein Erfolg mit der Nationalmannschaft.
Mit der gibt es bisher ja nur einen 13. Platz bei der WM in Portugal zu verbuchen. Nach dem Fiasko trat der Großteil der ‚goldenen Generation’ zurück. Kim konnte sich ein bisschen mit der Goldmedallie trösten, die er im selben Jahr mit den Junioren gewann. Mittlerweile haben sich die Sterne aus der Juniorenmannschaft auch in der A-Nationalmannschaft gut etabliert.

Der notwendige Generationswechsel ist größtenteils überstanden. Aus der alten Mannschaft war ursprünglich nur noch Ljubomir Vranjes übrig, aber nachdem Jan Lennartsson sich am Finger verletzte, kehrte Routinier Johan Pettersson zurück und Torwart Peter Gentzel sprang für Thomas Svensson ein, der das erste Spiel aus familiären Gründen absagen musste.

„Wenn man jeden einzelnen Spieler betrachtet, hat Schweden eine fantastische Nationalmannschaft. Ich wäre unglaublich enttäuscht, wenn wir die Qualifikation nicht schaffen. Die Chancen, nach Norwegen zu kommen und eine mehr oder weniger große Rolle im Turnier zu spielen, stehen so gut!
Wir haben dieses Mal Glück bei der Auslosung gehabt. Im Gegensatz zu Rumänien haben wir viele Spieler, die internationale Erfahrung haben. Wenn wir das erste Spiel gewinnen, haben wir eine große Chance, weiter zu kommen“